Prof. Friederike von Wedel-Parlow klärt auf! // Beraterin für Nachhaltige Mode und Gründerin vom Beneficial Design Institute
"Eine gute Qualität geht halt über die Tragezeit hinaus."
Friederike hat schon als Modedesignerin gearbeitet, ein eigenes Label gegründet, an der ESMOD unterrichtet, einen Fair Fashion Guid erarbeitet und seit 2016 das Benificial Design Institute gegründet, wo sie als Beraterin für nachhaltige Firmen arbeitet, zeitgleich aber auch großen Konzernen dabei hilft ihre Produktion nachhaltiger zu gestalten.
Fährst Du für deine Arbeit persönlich zu den Fabriken?
Ja, ich fahre mit und gucke mir die Bedingungen vor Ort an. Gemeinsam mit einem erfahrenen Team prüfen wir die Fabriken auf Arbeitszeiten, ob es Gewerkschaften gibt und ob soziale Projekte gefördert werden. Da schauen wir auch genauer hin, z.B. haben wir bereits zwei Fabriken angeschaut, die zwar GOTS zertifiziert sind, allerdings leider nicht unserem Standard entsprechen.
Zertifizierungen sind ja bekannter weise teuer, und das können sich viele kleine Firmen nicht leisten. Geht das auch ohne?
Zertifikate sind nicht unbedingt das A und O; viel wichtiger ist die Transparenz und das Engagement eines Unternehmens. Die meisten kleinen Firmen können ja nicht ihre eigenen Stoffe entwickeln lassen, das ist einfach viel zu teuer. Aber sie können einen eigenen Beitrag leisten, indem sie sich bemühen nachhaltig zu arbeiten. Ich glaube, dass kleine Labels sowieso viel besser agieren können, weil sie einen besseren Überblick über ihre Produktionskette haben. Transparenz schafft auch Vertrauen beim Kunden.
Außerdem gibt es kaum ganzheitliche Standards, Ecotex-100 untersucht z.B. Endprodukte auf rund einhundert Chemikalien. Allerdings prüfen sie nicht auf Quecksilber bzw. ganz viele andere Chemikalien, die in der Textilindustrie verwendet werden. Man kann davon ausgehen, dass oft immer noch weit über 7,500 Chemikalien enthalten sind. Das heißt, auch wenn man mit dem Ecotex Standard prüft, können immer noch sehr viele schädliche Substanzen vorhanden sein.
Fair Wear ist nur in der Produktion, also in der Manufaktur selbst tätig Sie testen also weder davor noch danach und das kann u.a. bedeuten, dass Baumwoll-Bauern nicht fair vergütet und die Verkäufer nicht fair entlohnt werden.
Darüber hinaus gibt es eigentlich nur Cradle to Cradle, die sich die gesamte Produktionskette anschauen und alles definieren, was in dem Produkt enthalten ist. Bei dieser Zertifizierung können wir mit Sicherheit sagen, dass es ein “gutes“ Produkt ist. Es wird geprüft, wie angebaut wird; d.h. ob mit mindestens 70% erneuerbaren Energien gearbeitet wird, Umweltstandards eingehalten werden und soziale Projekte unterstützt werden.
Gerade passieren tolle Materialentwicklungen. Wolford hat z.B. gerade Strumpfhosen und Wäscheteile im BH die mit C2C Gold zertifiziert sind. Das ist wirklich ein Riesenschritt. Anstatt Metall verwenden sie jetzt Kunststoff im BH, der industriell kompostierbar und von den Kunden zurückgeschickt werden kann. Sie haben Umfragen gemacht und die Kunden müssen wirklich positiv darauf reagiert haben und die neue Qualität schätzen. Eine gute Qualität geht halt über die Tragezeit hinaus.
Durch solche Innovationen kommen dann auch wieder Materialien auf den Markt, die kleine Designer nutzen können. Tchibo hat auch gerade ein kompostierbares T-Shirt gemacht. Wie man sieht sind das einfach Themen die ganz aktuell und wichtig sind.
Oft hört man im Zusammenhang mit großen Firmen den Begriff 'Greenwashing'– wie stehst Du dazu?
Große Firmen sind alleine durch ihre Art zu wirtschaften per se nicht nachhaltig, da sie auf Masse setzen und dieses System des Konsums der Nachhaltigkeit widerspricht. Sie haben auch größere Schwierigkeiten das zu ändern, aber wenn sie es tun ist ihre Wirkung umso größer. Bei manchen Unternehmen bleibt Nachhaltigkeit aber nur ein einmaliges Projekt. Bei PUMA war es so. Sie waren extrem weit vorne beim Thema Nachhaltigkeit und haben die erste C2C Sportswear gemacht. Es wurden genaue Umweltberechnungen gemacht und geschaut, welche Umweltkosten in jedem Produkt stecken. Aber dann gab es finanzielle Probleme und einen neuen CEO, der nur noch auf soziale Themen und nicht mehr auf Nachhaltigkeit setzt.
Um jetzt mal auf Dich einzugehen: bist Du selbst denn schon immer in dem Bereich Nachhaltigkeit unterwegs gewesen?
Ich habe mich schon immer für Stoffe und Bekleidung interessiert und habe Mode von der Pike auf gelernt. Ich habe zunächst eine Schneiderlehre gemacht und Schnittkurse belegt. Dann habe ich in Italien und danach an der UDK bei Westwood studiert und dann lange bei ihr gearbeitet. Das Studium bei Westwood hat mich sehr geprägt. Es ging überhaupt nicht um Trends und was heute aktuell ist, sondern vielmehr um die Frage nach der Quelle. Wann taucht ein Mode-Thema zum ersten Mal und in welchem Kontext auf und was bedeutet es.
Es ging um Schönheit, um Qualität, um eine Art Sinnhaftigkeit und Bedeutung. Ich habe das damals erkannt und darum geht es mir heute auch immer noch. Parallel zu meinem Job an der Uni habe ich ein Label gegründet und bei jeder Kollektion ein neues Thema entwickelt und viel dazu recherchiert. Es war sehr bereichernd das so anzugehen. Ich habe das für mich erkannt und versuche diese Qualität nachzuahmen und ins Heute zu übertragen, d.h. etwas zu designen, das wirklich Fundament hat anstatt nur darauf zu achten, was sich gut verkauft.
Meine erste Kollektion hieß Spaceship Earth und setzte sich mit Zukunftsvisionen auseinander. Hier liegen auch die Wurzeln für mein Engagement für Nachhaltigkeit. Ich dachte unsere Sachen sind doch gar nicht so, dass man sie so schnell wieder aus dem Kleiderschrank entfernt. Daher ist es doch sinnlos, so oft neue Kollektionen herauszubringen. Dieses Verlangen nach Produkten die mehr können hat mich eigentlich in die Nachhaltigkeit getrieben.
Von VW China kam dann auch noch ein Auftrag für eine Kollektion bei der es um ECO-Warrior und Nachhaltigkeit ging. Dort haben wir Solar Taschen, wie z.B. Messenger Taschen entwickelt. So hat sich das immer weiter entwickelt und mir wurde klar, dass ich genau in diese Richtung will. Heute sind mir neben Nachhaltigkeit auch andere Themen wie Qualität, Schönheit und Innovation wichtig.
Ich habe genau das Richtige für mich gefunden und bin überzeugt, dass ich damit auch wirklich etwas Positives bewirken kann!
Welche Tipps hast Du für jemanden der gerne auch in der nachhaltigen Mode arbeiten möchte?
Ich glaube man muss seine Leidenschaft und die eigenen Werte mit dem, was man tut verbinden. Das ist die beste Grundlage, um ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen. Es gibt kein Patentrezept für das richtige Business Modell oder den richtigen Ansatz. Es muss wirklich für einen selbst stimmig sein und kann nicht von einer Firma auf die andere übertragen werden. Das kann auf den unterschiedlichsten Ebenen funktionieren.
Man muss auch nicht immer gleich eine ganze Kollektion machen, sondern sollte viel eher erst mal mit einer Produktpalette anfangen, die richtig gut ist. Das schafft auch einen viel besseren Überblick. Man kann recherchieren, wo etwas herkommt, wie es produziert ist und wer genau beteiligt ist. Die gesamte Herstellungskette ist viel transparenter.
Wie kann sich ein Konsument orientieren, der bewusst einkaufen will? Du meintest ja vorhin, dass ihr die Zusammenarbeit mit manchen Fabriken, die sogar GOTS zertifiziert waren, abgelehnt habt?
Ich würde Zertifikate wie GOTS, Fair Wear, Fair Trade oder C2C auf jeden Fall schon mal als Indikator nehmen. Was aber noch wichtiger ist, ist in den Geschäften nachzufragen, wo die Sachen herkommen und wie sie produziert werden. Wenn das konsequent gemacht wird, merken die Läden dass ein Interesse für dieses Thema besteht. Einige Firmen sind dahingehend sehr viel weiter als andere. Flipa K, haben z.B. einen Second Hand Laden und betreiben dort ein Leasing und Rücknahmesystem für 'aussortierte Kleidung‘.
Kunden selbst sollten sich beim Einkaufen auch auf die Sachen konzentrieren, die sie wirklich brauchen. Wir haben über 20% im Kleiderschrank, die nie genutzt werden. Ein paar Basic-Teile in guter Qualität sind ein guter Anfang.
Hast Du da ein paar Beispiele wo man diese gute Qualität her bekommt?
Nudie Jeans, Kings of Indigo, Mud Jeans, Wunder Werk, Armed Angels, oder wie sie alle heißen – es gibt einfach eine ganze Reihe von Firmen, die das wirklich gut machen.
Hast Du ein Lieblings-Kleidungsstück?
Ehrlich gesagt wechselt das immer ein Stück weit. Ich habe jetzt gerade diese Strickjacke, die mich den ganzen Winter begleitet hat. Sie ist von FOLKDAYS, die ich auch ganz toll finde. Irgendwie war das für mich diesen Winter so das Highlight und ich bin mir ganz sicher, dass ich die noch ewig haben werde. Eines meiner Lieblingsteile ist ein blauer Overall; der wurde in einem kleinen Handwerksbetrieb in Vietnam gefertigt, mit Indigo gefärbt und von so einem ganz tollen Laden in Mitte vertrieben – den liebe ich einfach. Es ist wie so ein Arbeiteranzug.
Macht es einen Unterschied für Dich, wenn Du weißt wie lange der Prozess, also das Design gedauert hat? Ändert es Deinen Bezug zur Kleidung?
Ich finde man spürt die Wertigkeit oder die Arbeit, die in so einem Stück steckt. Vielen ist ja gar nicht klar, wie aufwendig es ist alleine ein T-Shirt herzustellen, und durch wie viele Hände das ging. Wenn etwas aber wirklich liebevoll hergestellt wurde, hat es eine ganz andere Energie, und das fühlt sich anders an. Ich finde das ist auch etwas, worum es bei Mode geht. Man möchte sich einfach wohler und schöner fühlen und emotional berührt werden. Das ist etwas, was einfach so ungreifbar ist. Nicht nur weil es so nah an der Haut ist, sondern auch weil wir uns durch unsere Kleidung ausdrücken. Es ist wie eine Sprache, die man ganz bewusst wählt – faszinierend.
Wie ist das bei Dir im Privatleben, interessieren sich die Menschen die Dich umgeben auch für das Thema?
Naja, sie kommen nicht ganz drum rum (lacht). Es ist natürlich ein Thema das ich relativ viel diskutiere. Auch in der Familie regt es zum Nachdenken an.
Also hat sich das in Deinem Umfeld durch Deinen Werdegang geändert?
Also es sind eine ganze Reihe von Freunden hinzugekommen, die ich eben auch durch meine Arbeit kenne, oder weil wir so viel gemeinsame Werte haben und uns für dieselben Dinge begeistern. Von meinen alten Freunden haben sich schon einige dadurch anregen lassen, andere wiederum haben es auf eigenem Weg für sich entdeckt. Ich weiß natürlich nicht ganz, wie sehr der Einfluss durch mich ist. Vielleicht ist es auch der gesellschaftliche Wandel, der das Thema für alle wichtiger werden lässt. Die Menschen erkennen den Sinn und Qualität dahinter, etwas Gutes zu tun.
Welche Vorteile siehst Du darin im nachhaltigen Bereich zu arbeiten?
Ich könnte mir nichts anderes vorstellen! Ich habe unheimlich tolle Leute kennengelernt und es ist wirklich anders als im normalen Modebereich. Das ist auch der Teil, der mich schon von Anfang an wirklich begeistert hat. Man tauscht sich aus, arbeitet miteinander und teilt die gleiche Begeisterung. Es sind Themen die berühren und ich habe das Gefühl, ich bin da angekommen, wo ich sein möchte.
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Special thanks to Marta Piwowarski for editing support!